Zum Haushalt der Gemeinde Erzhausen

Eine Erhöhung der Grundsteuer um sage und schreibe 40% tut weh. Wir, die Erzhäuser GRÜNEN, haben ihr trotzdem zugestimmt. Warum?

Die letzte Grundsteuer-Erhöhung wurde Anfang 2014 beschlossen und seitdem sind selbstverständlich die Verwaltungskosten gestiegen. Nimmt man den amtlichen Verbraucherpreisindex als Maßstab, so erscheint daher eine entsprechende Anpassung der Grundsteuer um 12% schlüssig, denn dies ist der Umfang des allgemeinen Preisanstiegs seit 2014. Wir reden aber von 40% – da muss es noch mehr Kostentreiber geben. Zwei Punkte haben hier besonderes Gewicht:

Erstens müssen wir die Gehälter der Erzieher*innen in unseren Kitas erhöhen. Formal gesehen tun wir das freiwillig, denn tarifrechtlich sind wir dazu nicht verpflichtet. De facto aber ist es eine zwingende Anpassung an die in den Nachbarkommunen gezahlten Gehälter. So begrüßenswert es einerseits ist, dass wir auf diese Weise eine bessere Bezahlung im notorisch unterbezahlten Erziehungsdienst erreichen, so problematisch ist doch das Zustandekommen, denn wir befinden uns hier in einem Lohnwettlauf mit anderen Kommunen, in dem wir als kleine Kommune ein grundsätzliches Handicap haben. Größere Kommunen können umschichten, aber uns bleibt nichts anderes übrig, als die dafür benötigten Mittel über eine Steuererhöhung zu beschaffen, denn Umschichtungen innerhalb des Haushalts sind in diesem Umfang für uns nicht möglich, zumal die Kinderbetreuung schon seit langem den mit Abstand größten Zuschussposten im Haushalt darstellt.

Zweitens gibt es in unserer Gemeindeverwaltung ein offenkundiges Handlungsdefizit. Ich rede von der IT. Unser museumswürdiger, seit vielen Jahren unveränderter Webauftritt ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Erst wenn wir uns klar machen, dass die IT das Rückgrat aller Abläufe, aller Prozesse einer modernen Verwaltung darstellt, erschließt sich die Dimension des Problems. Und durch das Onlinezugangsgesetz ist der Handlungsdruck nochmal erheblich gestiegen. Die bisherige Organisation sah vor, dass der Bauamtsleiter nebenher auch noch der IT-Leiter ist. Das war schon vor 10 Jahren realitätsfremd. Hier sieht der Haushalt 2022 eine neue, eigene IT-Leitung vor. Das kostet Geld, aber wir finden das unverzichtbar für eine zukünftig handlungsfähige Verwaltung.

Diese beiden Punkte – bessere Entlohnung der Erzieher*innen und eine handlungsstärkere IT-Organisation – begründen zusammen mit dem allgemeinen Preisanstieg den Großteil der Grundsteuererhöhung. Deshalb werden wir dem vorgelegten Haushalt 2022 auch zustimmen.

Alles gut also? Leider nein, leider ganz im Gegenteil. Denn ein dritter, unverzichtbarer Punkt fehlt im anstehenden Haushalt und wird durch den Gemeindevorstand, durch die Bürgermeisterin ebenso sträflich vernachlässigt wie zuvor seit vielen Jahren die IT-Entwicklung. Ich spreche von der Ortsplanung und -entwicklung unter den Bedingungen des Klimawandels. Für uns in Erzhausen bedeutet das: Mehr extrem heiße Sommer, weniger Regen, dafür aber mehr Starkregenereignisse. Zunehmender Bedarf nach schattigen Bäumen, nach Frischluftschneisen im Ort. Weniger ertragreiche und zugleich durch Verknappung umso wertvollere landwirtschaftliche Flächen. Zugleich starker Strombedarf im Sommer durch Klimaanlagen, von der E-Mobilität ganz zu schweigen. Das ist keine ferne Zukunft, keine gewagte Prognose, sondern das ist teils schon heute erlebte Realität in Erzhausen, die unseren Ort stark verändern wird.

Das bedeutet, wir müssen unverzüglich handeln, aber hier läuft in Erzhausen alles schief: Die von der CDU beantragte Überarbeitung des Flächennutzungsplans – abgelehnt, weil die Verwaltung dafür keine Zeit habe. Die Steuerung der baulichen Innenverdichtung durch die Aufstellung entsprechender Bebauungspläne – keinerlei Verwaltungsinitiative ist erkennbar. Das von uns GRÜNEN beantragte Ausgleichsflächenkataster – der Haushaltsentwurf enthält noch nicht einmal ein Budget für diese gesetzlich vorgeschriebene Maßnahme. Und zwar gibt es endlich ein Baumkataster, aber nach unserem Eindruck eher aus Gründen der Verkehrssicherheit und weniger, um dadurch den Bestand zu erhalten und zu erweitern.

Stattdessen ein trauriges Bild für die Bürgerinnen und Bürger: Ein elendes, teilweise jahrelanges Hickhack, um einzelne Ausgleichsflächen, um in keinem Plan vorgesehene Mietshäuser am Ortsrand, um die Fällung von einzelnen Bäumen. Klar, dass unter diesen Rahmenbedingungen die Verwaltung keine Zeit hat, sich um einen Flächennutzungsplan zu kümmern.

Die Auswirkungen des Klimawandels werden uns die nächsten Jahre, ja sogar Jahrzehnte beschäftigen. Umso wichtiger ist es, ein weiteres Manko der aktuellen Haushaltsplanung zu beseitigen: Es fehlt an vorausschauender Finanzplanung. Schon die kurz- bis mittelfristige Entwicklung ist faktisch aus dem vorgelegten Haushalt nicht ablesbar. Auch das ist eine dringende Aufgabe für die zukünftige Haushaltsplanung: Eine Finanzplanung, die eine sinnvolle Prognose für die nächsten Jahre erlaubt. Nur so werden wir mit den zukünftigen Herausforderungen umgehen können und nur so werden wir uns vor unliebsamen Überraschungen in Form deutlicher Steuererhöhungen besser schützen können.

Dem Haushalt für das Jahr 2022 und der Steuererhöhung haben wir zugestimmt, weil er für die Lösung dringender, nicht aufschiebbarer Probleme notwendig ist. Der Gemeindevorstand, die Bürgermeisterin und die gesamte Verwaltung sind aufgefordert, auf die bereits jetzt spürbaren Folgen des Klimawandels in Erzhausen zu reagieren und geeignete Maßnahmen ab dem nächsten Haushalt 2023 zwingend einzuplanen.

Klaus Süllow, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / DIE GRÜNEN Erzhausen

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